Geschichte der Stadt Liegnitz
Die Hohe Straße war eine wichtige Verkehrsverbindung, die bereits im frühen Mittelalter von Leipzig her kommend über Breslau nach Osten führte. Sie kreuzte einen von Böhmen ausgehenden Verkehrsweg an der Stelle, wo er über die Katzbach führte, um anschließend nach Glogau weiterzugehen. Am Übergang über die Katzbach errichteten die Kaufleute ein Lager mit Ringwall, dessen teschechische Bezeichnung "Legnica" (kleines Lager) ist. In einer Urkunde wird der Ort 1149 erstmalig genannt.
Wegen eines Erbstreits zwischen Wladislaus mit seinen vier Halbbrüdern flüchtete dieser 1146 ins Deutsche Reich zu seinem Schwager, dem deutschen König Konrad III. Wladislaus starb 1159. Mit Unterstüzung von Kaiser Friedrich I. Barbarossa konnten seine 3 Söhne 1163 nach Schlesien zurückkehren. Sie teilten das Land wieder unter sich auf, wobei Boleslaus I. mit den Gebieten um Breslau, Liegnitz und Oppeln den größten Teil erhielt. Liegnitz muß damals schon recht bedeutend gewesen sein, denn die Stadt besaß vier große Kirchen.
Heinrich I. (1201 - 1238) herrschte über Mittel- und Niederschlesien und gilt als bedeutendster schlesischer Piast. Er war mit Hedwig von Andechs verheiratet, der später heilig gesprochenen Hedwig. Unter Hedwigs Einfluss rief Heinrich deutsche Siedler ins Land. Das Magdeburger Recht wurde Grundlage der gesamten Siedlungs- und Wirtschaftspolitik. Auf Bitten seiner Frau stiftete Heinrich I. 1202 in Trebnitz das erste Frauenkloster in Schlesien und besetzte es mit Zisterzienserinnen aus Bamberg. Die Heilige Hedwig sollte künftig die Schutzpatronin Schlesiens werden.
Auf Heinrich I. folgte Heinrich II. der Fromme. Sein Name ist mit dem Mongoleneinfall und der berühmten Schlacht bei Liegnitz verbunden. Dschingis Khans Enkel Batu hatte bis 1240 mit seinen Truppen die einzelnen russischen Reiche unterworfen und zog nach Ungarn. Ein kleiner Teil des Heeres sollte das Hauptheer vor Angriffen aus Polen, Schlesien und Böhmen schützen. Diese Truppen zerstörten im März 1241 Krakau, drangen in Oberschlesien ein und ritten oderabwärts über Brieg und Breslau in Richtung Liegnitz. In Breslau konnte die herzogliche Burg auf der Dominsel gehalten werden. Heinrich zog ein Heer aus deutschen und polnischen Rittern, entkommenen Kämpfen aus Krakau, Deutschordensrittern, dazu Bürger und Bauern Schlesien zusammen, was ihm gerade zehntausend Mann einbrachte. Die mongolischen Truppen wurden auf dreißig- bis vierzigtausend Reiter geschätzt. Die Bewohner von Liegnitz brannten ihre Stadt nieder und flüchteten in die Burg.
Auf einem großen Felde südöstlich von Liegnitz, das später "Wahlstatt" genannt werden sollte, kam es am 9. April 1241 zum Kampf. Das so sehr unterlegene Heer Heinrichs II. wurde unter großen Verlusten geschlagen. Der Herzog selbst fiel im Kampfe. Nach der Überlieferung spießten die Mongolen sein Haupt auf eine Lanze und zogen vor die Burg von Liegnitz. Die Besatzung ließ sich aber davon nicht beeindrucken und widerstand. Die Mongolen ritten davon, um sich wieder dem Hauptheer anzuschließen, das etwa zur gleichen Zeit die Ungarn vernichtend geschlagen hatte.
Eine deutsche Stadt
Herzog Heinrichs II. vier Söhne teilten das Gebiet Nieder- und Mittelschlesien 1248 wieder unter sich auf. Der älteste Boleslaus II. erhielt dabei das Herzogtum Liegnitz. Die beiden anderen Teile für die Brüder Heinrich III. und Konrad I. waren die Herzogtümer Breslau und Glogau.
Der von den Mongolen verwüstete Osten aber zog erneut deutsche Siedler ins Land. Nach der Zerstörung 1241 ließ Boleslaus II. zwischen 1242 und 1252 die Stadt Liegnitz neu und planmäßig in Gitterform anlegen. Der Markt war der in Ostdeutschland übliche rechteckige "Ring" (160 x 320 m), dazu ein Netz rechtwinklig zueinander verlaufender Straßen. Das Rathaus, die Tuchhallen und die Verkausbuden standen in der Mitte des Ringes. Im Jahre 1293 wurde Liegnitz das Magdeburger Stadtreich in der Breslauer Fassung und damit die Selbstverwaltung verliehen. Um 1300 wurde eine erste Mauer um die Stadt errichtet.
Der Anschluß an Böhmen
In Schlesien wurde immer wieder vererbt und geteilt, oft von kriegerischen Auseinandersetzungen begleitet. Polen aber machte eine lange Zeit der Schwäche durch, es zerfiel in praktisch selbständige Fürstentümer. Als es Anfang des 14. Jahrhunderts wieder erstarkte, wollten die Piastenherzöge in Schlesien von ihren einstigen Landsleuten nichts mehr wissen. Bei der Wahl Wladislaus Lokieteks 1320 zum polnischen König war keiner der schlesischen Piasten anwesend; der künftige König hatte sie gar nicht eingeladen.
Denn die Schlesier sahen ihre Zukunft im Anschluß an Böhmen. Die oberschlesischen Herzogtümer hatten 1289 und 1292 die Lehnshoheit Böhmens angenommen, die übrigen der zu dieser Zeit insgesamt siebzehn schlesischen Teilherzogtümer wurden von deren Fürsten ab 1327 der Lehnshoheit des böhmischen Königs Johann von Luxemburg unterstellt. Das Herzogtum Liegnitz wurde unter Boleslaus III. 1329 böhmisches Lehen. Im Vertrag von Trentschin - nordöstlich von Preßburg am Vah in der heutigen Slowakei - verzichtete König Kasimir III. von Polen 1335 auf die Oberhoheit über die schlesischen Herzogtümer. Schlesien gehörte von nun an zu Böhmen, das seinerseits Teil des Reiches war. Schlesien hatte so indirekt Anschluß an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gefunden.
Die Jahre 1339 bis 1341 brachten Liegnitz eine große Hungersnot, während von 1348 bis 1350 die Pest wütete. Bei einem Brand 1338 wurde die Stadt fast völlig zerstört. Beim Wiederaufbau wurde das Stadtgebiet erweitert und bis zum Ende des 14. Jahrhunderts mit einer neuen Mauer umgeben. Sie hatte 4 Tore: Glogauer, Breslauer, Goldberger und Haynauer Tor. Schlesien sollte sehr unter den Einfällen der Anhänger des religiösen Reformators und teschechischen Nationalisten Jan Hus (um 1370 - 1415) leiden. Die Hussitenkriege dauerten von 1419 bis 1436. Liegnitz kam aber recht glimpflich davon, denn die Bürger hatten rechtzeitig ihre Mauern verstärkt. Die Hussisten plünderten und zerstörten aber alles, was außerhalb der Mauern lag.
Schlesien beim Reich
Der Liegnitzer Lehnsstreit
Die Geschichte der schlesischen Herzogtümer bleibt kompliziert. Im Jahre 1419 starb mit Wenzel II. die Liegnitzer Piastenlinie aus, und Herzog Ludwig II. von Brieg erbte das Herzogtum. Er starb 1436, ohne einen männlichen Thronerben zu hinterlassen. Zunächst regierte seine tüchtige Witwe Elisabeth von Brandenburg. Sie starb 1449, und damit begann der Streit. Kaiser Friedrich III. wollte das Herzogtum Liegnitz als erledigtes Lehen für die Krone Böhmens einziehen. Da aber Hedwig, eine Tochter der nun verstorbenen Elisabeth, mit Herzog Johann von Lüben verheiratet war, beanspruchte dieser das Herzogtum. Aber es wurde noch komplizierter.
Liegnitz war zu dieser Zeit recht bedeutend. Die Stadt war immerhin Hauptort eines Herzogtums, wegen ihrer günstigen Verkehrslage eine vielbesuchte Handelsstadt und außerdem eine bekannte Stadt der Tuchmacher. Liegnitz besaß seit 1352 das Münzrecht. Bürgermeister Ambrosius Bitschen wollte die offenbar günstige Gelegenheit nutzen, die Stadt unmittelbar der Krone Böhmens zu unterstellen, ohne einen Fürsten dazwischen, wie es vorher Breslau schon gelungen war. Er versprach sich davon größere Freiheiten für Liegnitz. Am 14. Mai 1452 schwor daher die Stadt dem noch unmündigen König Ladislaus von Böhmen den Treueid. Johann von Lüben nahm das nicht hin, er zog mit Truppen gegen die aufsässige Stadt. Auf der sogenannten Kriegskoppe zwischen Waldau und Lindenbusch kam es zum Kampf. Die Liegnitzer siegten.
Johann von Lüben starb im November 1453 in Breslau im Alter von 35 Jahren, aber der Streit ging weiter. Die Handwerker waren zwar wohlhabend, aber ohne Einfluß. Am 24. Juni 1454 erhoben sie sich gegen die Patrizier und den Rat der Stadt; die Ratsherren wurden gefangengenommen. Herzog Johanns Witwe Hedwig zog mit ihrem achtjährigen Sohn Friedrich (später I.) auf Einladung der Bürger in Liegnitz ein. Bitschen aber wurde als angeblicher Verräter von einem aus den Handwerkern und der Ritterschaft des Landes zusammengesetzten Gericht zum Tode verurteilt und am 24. Juli 1454 vor dem Rathaus enthauptet. Herzogin Hedwig übernahm die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn.
Ambrosius Bitschen gilt dennoch als bedeutender Stadtpolitiker. Die Liegnitzer hatte eine Straße nach ihm benannt. Das "Stadtschreiberhaus", in dem er gewohnt hatte, ist bis 1945 als schönstes Renaissancehaus der Stadt erhalten geblieben.
Der böhmische König Ladislaus hatte sich für den Treueid der Ratsleute bedankt, indem er ihnen erlaubte, ihrem aus zwei silbernen Schlüsseln im blauen Felde bestehenden Liegnitzer Stadtwappen den goldenen böhmischen Löwen mit dem zweifachem Schwanz hinzuzufügen. Nach dem blutigen Ende des "Liegnitzer Lehnstreits" wurde der böhmische Löwe aber erst 1675 ins Liegnitzer Wappen übernommen.
Die Erbverbrüderung
Hedwig herrschte von 1454 bis 1469 im Liegnitzer Schloß. Es folgte der Sohn Freidrich I., und nach dessen Tode 1488 mußte seine Witwe Ludmilla das Herzogtum elf Jahre lang führen. Danach übergab sie die Regentschaft an ihre Söhne Friedrich II. und Georg I. Die Brüder herrschten sechs Jahre lang gemeinsam, dann teilten sie das Herzogtum. Friedrich erhielt den teil Liegnitz, der jüngere Georg den Teil Brieg. Georg starb aber schon sechs Jahre später kinderlos, so daß Freidrich II. 1521 Brieg wieder zurückerhielt. Dazu kam 1523 noch durch Kauf des Herzogtum Wohlau.
Friedrich II. ragt unter den vielen schlesischen Herzögen heraus. Er herrschte fast ein halbes Jahrhundert lang bis 1547. Den Liegnitzern bestätigte er gleich 1506 deren Privilegien. So durfte in der Stadt weiterhin nur Liegnitzer Bier ausgeschenkt werden. Freidrich führte 1522 als erster protestantischer Fürst in Schlesien die Reformation in seinem Herzogtum ein. Er gründete 1526 sogar die erste evangelische Universität in Deutschland, sie ging aber schon 1530 wegen Geldmangels und religiöser Streitereien unter den gelehrten Herren wieder ein.
Im Jahre 1526 kam Schlesien durch den Tod des Königs mit Böhmen zu Habsburg. Erzherzog Franz Ferdinand, verheiratet mit Anna, der Tochter des Königs von Böhmen, erbte die böhmische Krone. Ferdinand wurde 1558 als Ferdinand I. deutscher Kaiser.
Am 19. Oktober 1537 schloß Freidrich II. von Liegnitz mit Kurfürst Joachim II. von Brandenburg einen Vertrag. Es wurde festgelegt, wenn das Herzogsgeschlecht der Liegnitzer Piasten aussterben würde, sollte das gesamte Gebiet an die Hohenzollern fallen. Umgekehrt sollten die Piasten die Besitzungen der Hohenzollern in der Lausitz - darunter Cottbus - erhalten, falls diese aussterben sollte. Die Habsburger erkannten diesen "Erbverbrüderungsvetrag" allerdings nicht an. Zweihundert Jahre später aber sollte sich Friedrich II. auf diesen Vertrag berufen, als er 1740 in Schlesien einfiel, um die wertvolle Provinz der jungen Maria Theresia wegzunehmen.
Die Kunst
Da Liegnitz schon im Mittelalter eine bedeutende Stadt war, wird der Freund kunstvoller alter Bauten nach Zeugnissen der Vergangenheit suchen.
Nach dem Brand von 1338 wurde 1379/80 das Rathaus neu errichtet. Es ist nicht erhalten. Mehrere Kirchen und Klöster standen vor den Toren der Stadt. Mindestens seit dem Ende des 13. Jahrhunderts gab es hier auch ein Johanniskloster. Der Brand hatte es wahrscheinlich nicht verschont, denn die Kirche wurde danach wesentlich erweitert. Unter Ludwig II. (1419 - 1436) wurde das Schloß ausgebaut. Aus jener Zeit stammen die beiden bis zuletzt erhaltenen Türme, der Hedwigs- und der Petersturm. Unter Friedrich II. wurde die Burg dann in ein Renaissanceschloß umgebaut. Aus jener Zeit blieb ein prächtiges Portal von 1533 erhalten. Es zeigt neben anderem die Porträts der Fürsten Friedrich II. von Liegnitz und seiner Gemahlin Sophie von Brandenburg.
Am Ring steht die mächtige evangelische Pfarrkirche Sankt Peter und Paul, auch Oberkirche genannt, da sie die Pfarrkirche der reichen Oberstadt war. Sie bietet 1200 Sitzplätze. Eine frühe Holzkirche war zwischen 1330 und 1378 durch eine dreischiffige Halle mit erhöhtem Mittelschiff aus Ziegeln ersetzt worden. Von den beiden quadratischen Türmen wurde nur der nördliche vollendet. Er war stets der höchste Turm der Stadt, und an diesem Turm befand sich über Jahrhunderte hinweg die einzige öffentliche Uhr in Liegnitz. Seine schlanke Haube erhielt der Turm 1652. Im 15. Jahrhundert wurde der Kirche ein Kapelenkranz hinzugefügt.
Die evangelische Liebfrauenkirche nahe dem Schloß war ursprünglich romanisch und wurde noch Marienkirche genannt. Bei dem großen Stadtbrand 1338 wurde sie schwer beschädigt. Sie blieb lange als Ruine stehen, bis sie der Rat der Stadt von 1362 bis 1386 als dreischiffige gotische Halle wieder aufbauen ließ. Sie war nun zweite Pfarrkirche der Stadt. Von 1450 bis 1468 wurde sie durch Erhöhung des Mittelschiffs zur Basilika umgebaut. Außerdem wurde bis 1487 einer der beiden Türme wesentlich erhöht. Das Gotteshaus wurde auch Niederkirche genannt, da es in der Niederstadt liegt.
Die Liegnitzer hatten ihren Ring in Großen und Kleinen Ring, eine breitere und eine schmalere Längsseite, unterteilt. Der Fischweibbrunnen steht auf dem späteren Fischmarkt, der nördlichen Verbindung zwischen Großem und Kleinem Ring. Er wurde 1412 errichtet. Die heutige Figur einer Wasserjungfer stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Liegnitz hat sich eine Reihe von Bürgerhäusern aus der Renaissance erhalten können, darunter die berühmten "Heringsbuden", eine Gruppe von acht schmalen Häusern am Großen Ring, teilweise mit Sgraffitimalerei. Die Gruppe hatte den seltsamen Namen erhalten, wie man glaubt, weil sie mit ihren Giebeln schmal und eng "wie die Heringe" nebeneinander stehen. Aus der Renaissance stammt auch das "Haus zum Wachtelkorb", ein Patrizierhaus mit einem hübschen zweistöckigen Erker und ebenfalls mit Sgraffitimalerei. Die Bilder zeigen neben anderem den Triumphzug der Ceres, der römischen Göttin der Fruchtbarkeit, und eine verkehrte Hasenjagd. Die Hasen sind die Jäger.
Der Renaissancefürst Heinrich XI. (1559 - 1581, gest. 1588) war als Herrscher eine gewaltige Plage für die Liegnitzer. Er war sehr verschwenderisch, wobei neben dem Hofstaat seine vielen, lang dauernden Reisen überall in Deutschland das Geld verschlangen. Die herzoglichen Schulden wuchsen, das Land verkam. Kaiser Rudolf II. ließ ihn schließlich 1581 in Prag gefangennehmen. Sein jüngerer Bruder Herzog Freidrich IV. übernahm die Regierung. Ständiger Begleiter des Herzogs auf dessen Reisen war der schlesische Ritter und Liegnitzer Hofmarschall Hans von Schweinichen (1552 - 1616). Dieser nun schrieb nieder, was er und sein Herzog auf ihren Reisen erlebten. Sein Werk "Lieben, Lust und Leben der Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts in den Begebenheiten des schlesischen Ritters Hans von Schweinichen" ist ein bedeutendes Werk der deutschsprachigen Memoirenliteratur.
Der Dreißigjährige Krieg
Unter den Kaisern Ferdinand I. (1531 - 1564) und Maximilian II. (1564 - 1576) kam es zu keinen wesentlichen Spannungen zwischen den Konfessionen, mit dem Regierungsantritt Rudolfs II. (1576 - 1612) wurde das anders. Er betrieb die Rekatholisierung in den Ländern Habsburg ganz energisch. Die konfessionellen Gegensätze sollten sich im Dreißigjährigen Krieg entladen, und der sollte auch Schlesien furchtbare Leiden bringen.
Liegnitz war jahrelang besetzt, erst von den Schweden und Sachsen, danach von den Kaiserlichen. Die Stadt wurde mehrfach geplündert. Dann kam es am 13. Mai 1634 westlich von Liegnitz zwischen den Kaiserlichen und den Sachsen zur "Schlacht am Lindenbusch". Die Sachsen siegten. Als der schreckliche Krieg beendet war, hatte sich die Einwohnerzahl der Stadt von 8000 auf weniger als 2500 verringert. Hierzu hatte neben dem Krieg die Pest von 1633 beigetragen. Die Stadt Liegnitz kostete der Krieg insgesamt die gewaltige Summe von 350 000 Talern an Geld und Gütern.
Dem am Lindenbusch siegreichen sächsischen Feldherrn Hans Georg von Arnim widmeten die Liegnitzer 1912 ein Denkmal. Das bronzene Standbild sollte während des Zweiten Weltkrieges in Hamburg eingeschmolzen werde, der Zufall verhinderte das aber. Das Denkmal wurde nach dem Krieg in Wuppertal, der Patenstadt von Liegnitz, auf neuem Sockel neu aufgestellt.
Die Gegenreformation
Als 1675 der erst fünfzehnjährige, sehr begabte Herzog Georg Wilhelm von Liegnitz, Brieg und Wohlau an den Pocken starb, erlosch das Geschlecht der schlesischen Piasten. Die übrigen Piastenlinien waren schon viel früher ausgestorben, die königlich-polnische Linie 1370, die Linie in Masowien 1526. Kurfürst Freidrich Wilhelm von Brandenburg (1640 - 1688), der Große Kurfürst, machte aufgrund der "Erbverbrüderung" von 1537 seine Ansprüche auf die drei Herzogtümer geltend, aber wie schon seine Vorgänger erklärte auch Kaiser Leopold I. (1658 - 1705) den Vertrag für ungültig und zog die Lehen für die Krone Böhmens ein. Liegnitz war von nun an nicht mehr Sitz seines Fürstenhofes, sondern der eines Landeshauptmanns.
Herzog Georg Wilhelm hatte noch kurz vor seinem Tode in einem Abschiedsbrief den streng katholischen Kaiser Leopold I. gebeten, seinen Untertanen den evangelischen Glauben zu lassen. Denn mit dem Westfälischen Frieden war zwar auch den schlesischen evangelischen Herzogtümern die Relegionsfreiheit garantiert, die Unterdrückung war damit dennoch nicht beendet worden. Vor allem die Jesuiten betrieben ihre Überzeugungsarbeit fleißig weiter. Evangelische Kirchen wurden geschlossen oder den Katholiken übergeben, Pfarrer wurden vertrieben.
Des Herzogs Bitte erreichte nichts, die Gegenreformation kam auch nach Liegnitz. Die katholischen Orden der Franziskaner, Benediktiner und Jesuiten ließen sich wieder nieder. In der Schloßkirche wurde fortan katholischer Gottesdienst abgehalten. Die Stadträte waren meistens Katholiken von außerhalb. Viele evangelische Kirchen wurden mit katholischen Geistlichen besetzt. Da kam den bedrängten Anhängern des evangelischen Glaubens 1707 der schwedische König Karl XII. zu Hilfe. Die Altranstädter Konvention vom 1. September 1707 zwischen ihm und Kaiser Joseph I. führte wieder zur Duldung des evangelischen Glaubens. Über hundert Kirchen, die vormals evangelisch gewesen waren, wurden zurück gegeben, im Herzogtum Liegnitz allein achtundzwanzig. Sechs "Gnadenkirchen" durften für Evangelische neu erbaut werden.
Das Barockzeitalter
Schlesischer Barock
Mit der Gegenreformation verbunden war eine bedeutende Entwicklung der kirchlichen Baukunst in Schlesien. Die mittelalterlichen Stadtkirchen waren inzwischen mehr als ein Jahrhundert für den evangelischen Gottedienst genutzt und oft genug ihrer Altäre und sonstigen Ausstattungsstücke beraubt worden. Im Zuge der Rekatholisierung erhielten sie ein neues katholisches Inneres, und das war im Stil des Barock. Das gilt für die Pfarrkirche in Sagan und Schweidnitz. Auch in den Klöstern wurde erneuert, denn die Zeit war auch an ihnen nicht vorübergegangen. So erhielt manche gotische Klosterkirche eine prunkvolle barocke Ausstattung: Leubus, Grüssau, Heinrichau und Trebnitz. In Breslau waren es St. Marien auf dem Sande, St. Vinzenz und St. Dorotheen. Das Zusammenspiel von Gotik und Barock wurde zu einem Merkmal schlesischer Baukunst.
Einer der berühmtesten Baumeister des Barocks in Schlesien war der Liegnitzer Martin Frantz. Geboren wurde er 1681 als Sohn des Stadtbaumeisters in Reval. Nach Gesellenprüfung 1697 und Wanderschaft auf unbekannten Reisewegen kam er nach Breslau und arbeitete dort als Geselle des Schwaben Johann Georg Knoll. Dieser nahm ihn dann mit nach Liegnitz, wo er an verschiedenen Bauten mitwirkte.
Viel mehr als in Liegnitz aber baute Martin Frantz andernorts in Schlesien. Erst 28 Jahre alt, wurde er 1709 nach Hirschberg zum Bau der berühmten Gnadenkirche gerufen. Er errichtete auch eine Gnadenkirche in Landeshut, erbaute das Schoß Peterswaldau bei Reichenbach im Eulengebirge, das Gymnasium in Hirschberg und die Gruftkapelle der Familie Glafey, ebenfalls in Hirschberg. Berühmt war einstmals die Dorfkirche in Seitsch im Kreis Guhrau, die Frantz von 1736 bis 1740 im Auftrage des Klosters Leubus auf dessen damaligem Besitz nach dem Vorbild der Kirche St. Nikolaus in der Prager Altstadt erbaute.
Martin Frantz starb wahrscheinlich 1743. Das schöne Wohnhaus des Meisters in Liegnitz, schräg gegenüber der Ritterakademie, wurde 1945 zerstört.
Die Piastengruft
Nach dem Tode Georg Wilhelms ließ seine Mutter Herzogin Luise von Anhalt-Dessau den gotischen Chor der alten Johanniskirche als Gruft und Ruhmeshalle des Piastengeschlechts herrichten. Der Entwurf stammte von Carlo Rosse, der Architekt, Maler und Bildhauer Matthias Rauchmüller aus Radolfzell führte das Werk 1677/79 im Stil des Barocks aus. Die Gruft besteht aus einem Oktogon mit Nischen für die Sarkophage. Fünf Prunksarkophage stehen in der Gruft, darunter die des letzten Herzogs und seiner Eltern. Sie sind aus Kupfer, dazu vergoldet und versilbert. Der Sarkophag des Herzogs zeigt das zerbrochene Piastenwappen mit einer lateinischen Inschrift: "In der Blüte gestorben. Zerbrochen beim Tode des Herrschers." Eine Kuppel von 17 Meter Höhe überspannt den Raum, darinnen vier alabasterne Standbilder der letzten Herzogsfamilie von Liegnitz. Die Wandgemälde, auch die in der Kuppel, stellen Szenen aus der Geschichte der Piasten dar. Ein großes Wandbild des heiligen Johannes von Nepomuk am Eingang zur Gruft ist von Michael Willmann, der gern größter schlesischer Künstler des Barocks genannt wird.
Der schöne Bau blieb nach dem Tode der Herzogin unbeachtet; er verkam. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Raum wiederhergestellt.
Die Piastengruft war das erste bedeutende Bauwerk des Barocks in Liegnitz. Dann aber wurde Liegnitz sogar "Stadt des schlesischen Barocks" genannt, denn es entstand ein ganzes Barockviertel.
Liegnitzer Barock
Von 1700 bis 1706 wurde an der Stelle des alten Johannesklosters und neben der gotischen Johanniskirche das Jesuitenkolleg errichtet. Die Bauleitung hatte zunächst Johann Georg Knoll. Als Knoll 1704 starb, führte Martin Frantz den Bau fort. Im Jahre 1728 wurde dem Kolleg noch ein Seminargebäude hinzugefügt. Auffallend ist das Portal mit dem Balkon, alles mit viel Schmuck. In dem Gebäude befand sich zuletzt eine katholische Volksschule.
Der Bau des monumentalen Gebäudes der Ritterakademie, einer Schule für den schlesischen Adel beider Bekenntnisse, begann 1709 mit der Reitbahn. Das große Hauptgebäude wurde von 1726 bis 1735 errichtet, ein rechteckiger Bau mit Innnenhof. Er ist noch Barock, die Klarheit des aufkommenden Klassizismus ist aber bereits zu spüren. Der Baumeister ist unbekannt.
Im Jahre 1698 war der evangelische Gottesdienst in der mittelalterlichen Johanniskirche auf Anordnung des österreichischen Kaisers Leopold I. eingestellt und die Kirche den Jesuiten übergeben worden. Sie war inzwischen baufällig und wurde abgetragen. Von 1714 bis 1730 errichtete ein unbekannter Architekt die Kirche neu. Sie ist eine der bedeutendsten Bauten des Barocks in Schlesien. Sie hat zwei Türme, 78 m hoch. Die Piastengruft wurde auf kaiserliche Weisung hin nicht angetastet und daher in den neuen Bau einbezogen. Martin Frantz arbeitete daran mit, besonders bei der Wölbung.
Infolge konstruktiver Mängel stürzte die Decke 1744 ein; sie wurde erst 1801-04 in Holz wiederhergestellt.
Im Barockviertel steht auch das "Leubuser Haus" Es war die Probstei, also der Stadtpalast, der Äbte und Mönche des Klosters Leubus, erbaut 1726 bis 1728 vom Liegnitzer Baumeister Matthias Knothe. Das schöne Portal weist feine Sandstein- und Metallreliefs auf. Die beiden Figuren am Balkon stellen Johannis der Täufer und die heilige Hedwig dar. Das Haus wurde 1912 von der Stadt gekauft und darin ein Stadt- und Landgericht untergebracht.
Nicht zum berühmten Liegnitzer Barockensemble gehört das ehemalige Benediktinerinnenkloster. Die Gebäude wurden von 1721 bis 1729 errichtet. Im Jahre 1810 wurde das Kloster aufgehoben, und 1825 erhielt die Stadt von König Friedrich Wilhelm III. die Erlaubnis, die Gebäude für eine Schule zu nutzen.
Im Jahre 1737 wurde das gotische Rathaus von 1380 abgerissen und an dessen Stelle bis 1741 das "Alte Rathaus" nach Plänen des Baumeisters Michael Scheerhofer errichtet. Seine Besonderheiten sind zwei große symmetrische, gewundene Steintreppen vor dem weit vorgezogenen schmalen Mittelrisalit, der eher wie ein Turm aussieht. Wahrscheinlich war Frantz am Bau des Rathauses beteiligt. Vor dem Rathaus steht der "Gabeljürge", ein Neptunbrunnen von 1731. Die steinerne Figur des Meeresgottes mit Dreizack wird von Delphinen getragen.
Bürgerhäuser und -portale des Barocks fanden sich auch am Ring und anderswo. Das "Hohbergsche Palais" war 1708 von Baumeister Lukas von Hildebrandt errichtet worden. Hier hatte Friedrich der Große gewohnt. Das schöne Haus wurde 1884 abgerissen, um Platz für die Peter- und-Pauls-Passage, ein Wohn- und Kaufhaus in Neorenaissance, zu schaffen.
Die Barockdichtung
Nicht nur die schlesische Baukunst des Barocks hatte einen guten Namen in Deutschland, auch von den schlesischen Dichtern jener Zeit wissen Kenner heute noch zu berichten, ja, die schlesische Barockdichtung gilt als führend in Deutschland. Genannt seien: Martin Opitz von Boberfeld ( 1597 - 1639), Friedrich Freiherr von Logau (1604 - 1655), Andreas Gryphius (1616 - 1664) aus Glogau, Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1616 - 1679) aus Breslau, Daniel Casper von Lohenstein (1635 - 1683) aus Nimptsch und Johann Christian Günter (1695 - 1723) aus Striegau. Mit der Stadt Liegnitz waren Opitz und Logau verbunden.
Opitz wurde im schlesischen Bunzlau als Sohn eines Metzgers und Ratsherrn geboren. Er studiere Jura und Philosophie in Frankfurt an der Oder und in Heidelberg. Nach Aufenhalten in Holland, Jütland und Siebenbürgen wurde er 1623 herzoglicher Rat in Liegnitz. Ihm wurde 1625 die Ehre der Dichterkrönung durch Kaiser Ferdinand II. in Wien zuteil. Als "Martin Optiz von Boberfeld" wurde er gar geadelt. Er schrieb weltliche und geistliche Lyrik und große Lehrgedichte. Durch sein "Buch von der deutschen Poeterey" legte er anerkannte Regeln für die deutsche Verslehre fest. Er verfaßte aber auch den Text für die erste deutschsprachige Oper "Daphne", die nach der Musik eines Italieners 1627 auf Schloß Hartenfels im sächsischen Torgau an der Elbe unter der Leitung von Heinrich Schütz aufgeführt wurde. Er ging 1635 als polnischer "Königlicher Hofhistoriograph" nach Danzig, wo er 1639 an der Pest starb.
Logau wurde 1604 in Brockuth bei Reichenbach als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Er besuchte das Gymnasium in Brieg, wurde Page bei der Herzogin von Brieg und studierte lustlos Jura in Frankfurt/Oder. Danach verwaltete er das Familiengut. Der Krieg brachte ihn große Not. Er wurde 1644 Kanzleirat, später Regierungsrat am Hofe des Herzogs Ludwig IV. von Brieg. Mit diesem ging er 1653 nach Liegnitz. Logau gilt als der bedeutendste deutsche Epigrammatiker im 17. Jahrhundert. Er verfaßte zahlreiche satirische, zeitkritische, patriotische und sittlich-religiöse Sinngedichte. Er wandte sich gegen Sittenverwilderung, religiöse Intoleranz, gegen das Laster und die soziale Ungerechtigkeit. Arg von der Gicht geplagt, starb Logau 1655. Er wurde bald vergessen; Lessing hat ihn wiederentdeckt.
Das Liegnitz des Barocks bot reiches geistiges Leben. Georg Thebesius wurde 1636 als Sohn eines Pastors an St. Peter und Paul geboren. Nach Studium in Wittenberg und Straßburg sowie Reisen in Deutschland, Frankreich und England wurde er 1664 Stadtschreiber und städtischer Syndikus, also Bevollmächtigter für die Rechtsgeschäfte der Stadt. Er ist Verfasser der berühmten "Liegnitzer Jahrbücher". Der Namen ist etwas irreführend, denn es handelt sich tatsächlich um eine Geschichte der Liegnitzer Piasten und der Stadt Liegnitz. Thebesius arbeitete 20 Jahre an seiner reich bebilderten Geschichte. Er starb 1688, sein Werk konnte erst 1733 in Jauer erscheinen. Liegnitz hatte seinem tüchtigen Sohn später eine Straße gewidmet.
Der Rektor der Stadtschule Johann Sinapius (1667 - 1736) veröffentlichte 1720 seine beiden gern gelesenen Bände "Kuriositäten des schlesischen Adels". Der Lyriker und Erzähler Johann Peter Titz wurde 1611 in Liegnitz geboren. Er studierte Jura in Rostock und Königsberg und ging 1636 nach Danzig, wo er es bis zum Professor für klassische Sprachen und Poesie brachte.
Die preußische Zeit
Die Schlesischen Kriege
Fünf Monate nach dem Freidrich II., den die Welt dereinst "den Großen" nennen sollte, am 31. Mai 1740 auf den preußischen Thron gekommen war, starb Kaiser Karl IV., ohne einen männlichen Nachkommen zu hinterlassen. Daher bestieg seine Tochter Maria Theresia den Thron. Spanien, Bayern und Sachsen bestritten ihr aber dieses Recht, und es kam zum "Österreichischen Erbfolgekrieg" (1741 - 1748). Friedrich II. nutze die österreichischen Schwierigkeiten, berief sich auf die "Erbverbrüderung" von 1537 und fiel in Schlesien ein. Es kam zum ersten Schlesischen Krieg von 1740 bis 1742, dem zwei weitere 1744/45 und 1756 bis 1763 folgen sollten.
Der dritte Schlesische Krieg wird allgemein "Siebenjähriger Krieg" genannt. Da hatten sich die drei Großmächte Österreich, Rußland und Frankreich gegen Preußen verbündet. Kein Wunder, daß Friedrich in eine verzweifelte Lage kam. Das Ende wurde nur verhindert, weil seine erbitterte Gegnerin Elisabeth von Rußland im Januar 1762 starb und so der etwas dümmliche, aber preußenfreundliche Zar Peter III. auf den Thron gelangte. Zwar wurde er, vermutlich auf Anstiftung seiner Frau Katharina, noch im gleichen Jahr ermordet, die Deutsche Katharina hielt aber den Frieden mit Preußen ein. Am Ende dieser unsinnigen innerdeutschen Auseinandersetzung aber lagen Preußen und Österreich wirtschaftlich am Boden. Es gab keinen anderen Ausweg mehr als den Frieden. Er wurde am 15. Februar 1763 auf Schloß Hubertusburg in der Nähe von Leipzig geschlossen. Der größte Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz kamen endgültig zu Preußen, das zum Verdruß seiner Nachbarn überdies in die Reihe der europäischen Großmächte aufgestiegen war.
Liegnitz war vorallem im dritten Kriege betroffen. Im Jahre 1757 setzten sich die Österreicher in der Stadt fest, worauf sie die Preußen prompt unter dem Prinzen Moritz von Dessau belagerten. Die Österreicher kapitulierten. Am 15. August 1760 kam es nordöstlich von Liegnitz zu einer Schlacht. Friedrich siegte mit 14 000 Preußen über 35 000 Österreicher. Der Krieg aber ging weiter, und im folgenden Jahr kamen gar die Russen als Besatzer nach Liegnitz.
Auf der "Siegeshöhe" erinnerte auf quadratischem Sockel ein Sandsteinobelisk an das Lager Friedrichs vor der Schlacht von 1760. Natürlich gab es in Liegnitz auch ein Denkmal Friedrichs des Großen. Es stand seit 1869 auf dem "Friedrichsplatz" und war nach dem Vorbild einer Statue Gottfried Schadows in Stettin geschaffen worden.
Liegnitz verlor durch den Anschluß an Preußen an Bedeutung, denn die Stadt war nun nicht einmal mehr Sitz eines österreichischen Landeshauptmanns. Die oberste zivile Verwaltungsbehörde, die "Kriegs- und Domänenkammer", des Bezirks Niederschlesien ließ sich 1741 in Glogau nieder. Liegnitz wurde zu einer bloßen Provinzstadt. Die Zahl der Einwohner lag mit 6800 hinter Städten wie Glogau, Brieg, Schweidnitz, Grünberg und Neisse.
Die Befreiungskriege
Im Jahre 1804 gab es eine große Überschwemmungskatastrophe mit Vernichtung der Ernte und nachfolgender Hungersnot. Während der Napoleonischen Herrschaft wurde das Jahr 1809 für Liegnitz von Bedeutung, denn die niederschlesische Regierung, wie die einstige Kriegs- und Domänenkammer inzwischen hieß, zog von Glogau nach Liegnitz um. Glogau war nämlich immer noch eine bedeutende Festung, sie wurde daher von den Franzosen weiter besetzt gehalten. Der König wollte die Verwaltung aber nicht so nahe bei den Franzosen untergebracht haben. Die Kammer nahm ihren Sitz im Piastenschloß.
Die während der französischen Besetzung Preußens durchgeführten Reformen des Reichsfreiherrn vom und zum Stein schafften die Erbuntertänigkeit der Bauern ab und brachten den Städten mehr Selbständigkeit. Im Februar 1809 wurden daher in Liegnitz die ersten Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung durchgeführt. Die neuen Bürgervertreter gehörten in ihrer Mehrzahl zu den Handwerkern. Zum Protokollführer wurde Professor Johann Karl Gotthelf Werdermann gewählt, ein Mann, den die Liegnitzer in guter Erinnerung behielten. Er kam aus Jauer, war bis 1814 Lehrer an der Ritterakademie, danach widmete er sich dem Wiederaufbau des arg heruntergekommenen Städtischen Gymnasiums. Von 1824 bis 1830 war er Rektor der Anstalt. Der hochangesehene Kommunalpolitiker und Schulmann starb 1833 in Liegnitz. Die Werdermannstraße erinnerte an ihn.
Nach dem mißglückten russischen Feldzug Napoleons rief am 17. März 1813 König Friedrich Wilhelm III. Breslau mit seinen berühmten Aufruf "An mein Volk" zur Befreiung von der französischen Besatzung auf. Aber es lief nicht gut am Anfang. Dann sammelten sich die Heere gar in Schleesien. Am 26. Mai 1813 trat Werdermann, von dem Stadtverordneten Dreßler begleitet, vor der Stadt Napoleon gegenüber und bat um Schonung. Der Kaiser sagte das zu, dann nahm er im Stadtschreiberhaus Quartier, wo ihn beinahe ein Attentat ereilt hätte.
Am 26. August 1813 kam es zur berühmten "Schlacht an der Katzbach". Oberbefehlshaber der vereinten preußisch-russischen "Schlesischen Armee" war Leberecht von Blücher, sein Generalstabschef war Neidhardt von Gneisenau, der berühmte Verteidiger der pommerschen Festung Kolberg von 1807. Jede der beiden Armeen war etwa 100 000 Mann stark. Die Schlacht fand allerdings näher der Wütenden Neiße, eines Nebenflusses der Katzbach, als an der Katzbach selbst statt. Bücher gewann diese Schlacht. Im Anschluß daran wurde ganz Schlesien von französischer Besatzung befreit. Blücher wurde fortan "Marschall Vorwärts" genannt; den Namen hatten ihm die Russen gegeben. Nach dem Kriege setzte sich der populärste Held der Befreiungskriege auf Schloß und Gut Krieblowitz südwestlich von Breslau zur Ruhe.
Nach 1241, 1634 und 1760 war die "Schlacht an der Katzbach" die vierte große Schlacht auf der strategisch wichtigen Liegnitzer Ebene zwischen Bober-Katzbach-Gebirge im Südwesten und der Oder im Nordosten.
Als der Krieg beendet war, blieb die Bezirksregierung in Liegnitz. Die Stadt entwickelte sich nun von einem kleinen Landstädtchen zu einer der bedeutendsten Städte nicht nur in Schlesien, sondern im ganzen deutschen Osten.
Im 19. Jahrhundert
Aber die folgenden Jahrzehnte waren erst einmal schwer. Besatzung und Krieg hatten der Stadt Schulden in Höhe von 179 000 Talern hinterlassen. Es gab Mißernten und Teuerung 1815, 1825, 1836 und 1846. Vor allem in den Jahren 1829 und 1845 setzten schwere Hochwasser der Stadt zu. Epidemien traten auf, so die Cholera 1831/32, die Pocken 1835 und die Grippe und noch einmal die Cholera 1837.
Die sich in Deutschland und Österreich entgegen den Hoffnungen der Bevölkerung ausbreitende Reaktion kam auch nach Schlesien. Am 16. September 1818 mußten die Turnplätze in Breslau und Liegnitz geschlossen werden. Die französische Julirevolution von 1830 führte zwar in Breslau zu Unruhen, nicht aber in Liegnitz. Am 1. April 1836 mußte die Liegnitzer Zeitung "Corespondent" wegen der Pressezensur ihr Erscheinen einstellen.
Am 9. November 1824 heiratete Friedrich Wilhelm III., dessen Frau Luise 1810 so jung verstorben war, die Gräfin Auguste Harrach, der Liebenswürdigkeit und Klugheit nachgesagt werden. Die Gräfin wurde zur "Fürstin von Liegnitz" erhoben, obwohl sie diese Stadt bis dahin nie gesehen hatte. Erst 1828 kam sie zu einem Besuch in die Katzbachstadt.
Der König hielt sich mehrmals in Liegnitz auf, meistens zu Manövern. Bei den Herbstmanövern des V. Armeekorps 1835 wohnten sogar außer Friedrich Wilhelm III. der Zar Nikolaus I. mit seiner Frau Alexandra, die eine Tochter des preußischen Königs war, und ihren zwei Kindern in Liegnitz. Der österreichische, geistig zurückgebliebene, nur zum Schein amtierende Kaiser Ferdinand I. wurde von zwei Erzherzögen vertreten. Hinzu kam eine Vielzahl von Prinzen, Fürsten, Offizieren und hohen Staatsbeamten.
Am 18. Oktober 1844 wurde die Eisenbahnlinie von Liegnitz nach Breslau eröffnet, und im Oktober 1847 wurde die schlesische Stadt an das Telegraphennetz angeschlossen.
Vom Revolutionsjahr 1848 merkten die Liegnitzer nur wenig. Es gab keine politischen Unruhen, höchstens Versammlungen, in denen sich die Bürger ebenfalls für erweiterte Freiheiten und eine deutsche Nationalversammlung aussprachen. Es fanden zu jener Zeit auch einige Demonstrationen statt, sie waren aber nicht politisch, sondern sozial bedingt.
Das moderne Liegnitz
Zu neuer Bedeutung
von 1855 bis 1869 wurde eine Reihe umliegender Orte eingemeindet; die Bevölkerung wuchs von 16 000 im Jahre 1853 auf mehr als 23 000 im Jahre 1871 an. Nach weiteren Eingemeindungen in den siebziger Jahren überschritt die Einwohnerzahl 25 000. Damit durfte Liegnitz aus dem bisherigen Kreis ausscheiden. Ab 1. Januar 1874 bildete die Stadt einen eigenen Stadtkreis. Er war umgeben vom Landkreis Liegnitz, in dem als einzige Stadt das kleine Parchwitz lag. Liegnitz war nun sowohl Sitz der Regierung des Bezirks Liegnitz wie der Verwaltungen der Kreise Liegnitz-Stadt und Liegnitz-Land.
Nach weiteren Eingemeindungen 1908 stieg die Fläche des Stadtgebiets von 17 auf 19 Quadratkilometer. Die Bevölkerungszahl wuchs weiter an, sie erreichte 1900 55 000 und 1912 69 000 Einwohner. Nach Breslau und Görlitz war Liegnitz damit die drittgrößte niederschlesische Stadt.
Das Alte Rathaus reichte schließlich nicht mehr aus, so daß von 1902 bis 1905 das Neue Rathaus in Neorenaissance errichtet wurde. Es wurde wegen der beiden Weltkriege aber niemals vollendet.
Die alten Bauten
Ihren alten Grundriß mit den engen Gassen hatte die Stadt behalten, an die Stelle der Befestigung aber sind Promenaden getreten. Von den einstmals 30 Türmen sind die des Glogauer und Haynauer Tors, einfache spätgotische Ziegelbauten, erhalten. Manches sehenswerte alte Gebäude aber hat durch spätere Umbauten viel vom Reiz der Ursprünglichkeit eingebüßt. Das gilt für die Kirchen, für das Schloß, aber auch für Bürgerhäuser. Nach 1945 verschwand leider der alte Stadtkern zum großen Teil.
Die Peter-Paul-Kirche war inzwischen recht häßlich geworden. Daher wurde sie 1892 bis 1894 von Professor Johann Otzen aus Bremen äußerlich vollkommen erneuert. Das geschah in einer Weise, die schon damals umstritten war, unserem heutigen Verständnis von Denkmalpflege aber vollkommen widerspricht.
Die seit alters her zwischen den Strebepfeilern stehenden Buden und Läden wurden abgerissen. Dann wurde die ganze Kirche mit einem Mantel aus roten Kunstziegeln umgeben, so daß sie danach den Eindruck eines neugotischen Baus machte. Ziegeleibesitzer Rother hatte dabei als Stadtverordneter seine Kunstziegeln verkaufen können. Der Südturm war ursprünglich geplant, aber nicht ausgeführt worden. Er wurde nun hingebaut und erhielt ein Glockenspiel, gestiftet von Tischlermeister Conrad (gest. 1883). Es war das einzige Glockenspiel in Schlesien. Das Nordportal der Kirche wurde zwar umgestaltet, die Figuren der beiden Schutzheiligen Petrus und Paulus blieben aber erhalten. Das Tympanon über dem Hauptportal geht auf das 14. Jahrhundert zurück; es zeigt die Anbetung der drei Könige aus dem Morgenlande. Vom Westportal zwischen den Türmen wurde das Standbild der Maria mit dem Kinde am Mittelpfeiler ins Kircheninnere versetzt. Dafür wurden die Figuren Luthers, Melanchthons und des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg (1535 - 1571) neu geschaffen. In die Außenwand der Kirche sind alte Grabsteine eingemauert, deren deutsche Inschriften noch erhalten sind.
Die Kirche birgt zahlreiche Kunstwerke. Kostbarstes Stück ist ein Taufkessel von 1250 aus versilbertem Bronzeguß. Er ist reich geschmückt mit Reliefs über die Verkündigung Marias, Szenen aus dem Leben Christi und Christus als Weltenrichter. Die beachtliche Größe des Kessels wird nicht verwundern, wenn man weiß, daß der kleine Täufling damals noch ganz untergetaucht wurde. Der Taufdeckel stammt aus dem 16. Jahrhundert. Der aufwendige Altar wurde 1767 vollendet. Er ersetzte einen gotischen Hochaltar von 1466. Seine erhaltenen Teile sind noch in Warschau und Thorn zu sehen. Die Kanzel ist aus Sandstein gefertigt;sie entstand in der Renaissance. Das Ratsgestühl geht auf das Ende des 15. Jahrhundert zurück. In der Kirche ebenso wie in den acht Kapellen befinden sich schöne Grabdenkmäler der Liegnitzer Patrizier aus dem 15. und 16. Jahrhundert. In der Kirche stehen die Sarkophagfiguren Herzog Wenzels I. (gest. 1364) und seiner Gemahlin Anna.
Die Bibliothek der Peter-Paul-Kirche gehörte zu den wertvollsten Bibliotheken Schlesiens. Zu ihren Kostbarkeiten zählten 70 Handschriften, darunter eine großformatige Pergamenthandschrift mit Bildern des Sachsenspiegels, des niedersächsischen Landrechts, von dem Exemplare nur noch in Görlitz, Dresden und München vorhanden sind. Das "Leben der heiligen Hedwig" wurde im Jahre 1300 in lateinischer Sprache niedergeschrieben. Die Bibliothek besaß fast 400 Inkunabeln, also Bände aus der Frühzeit des Buchdrucks.
Eine Luther-Bibel aus dem Jahre 1534 mit vielen Holzschnitten war Glanzstück aus der Reformationszeit. Die wertvollsten Stücke der Bibliothek waren während des Zweiten Weltkrieges ausgelagert worden. Sie sind verschollen. Über das Schicksal der übrigen Bibliotheken, darunter der berühmten "Bibliotheca Rudolfina", ist ebenfalls nichts bekannt.
Im Jahre 1822 schlug der Blitz in den hohen Südturm der Liebfrauenkirche ein, und die ganze Kirche brannte aus. Von 1824 bis 1828 wurde die Kirche nach Plänen Schinkels neugotisch und diesmal durch Erhöhung der Seitenschiffe als Hallenkirche wieder aufgebaut. Schließlich fand noch 1905/06 eine umfassende Renovierung statt.
Nach verheerendem Brand von 1711 wurden die zerstörten Flügel des Schlosses vereinfacht im Barockstil wieder aufgebaut. Ab 1809 war hier die niederschlesische Regierung untergebracht. Neben zahlreichen Räumen für die Behörden wurden die Gebäude für die Archive und als Dienstwohnungen genutzt. Am 21. Mai 1835 gegen elf Uhr nachts brach im Nordwestflügel ein Feuer aus, das rasch um sich griff und großen Schaden anrichtete. Die meisten Akten konnten gerettet werden, aber fünf Menschen verloren bei den Lösch- und Rettungsarbeiten ihr Leben. Die später durchgeführten Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, das es sich um einen Einbruchsdiebstahl mit anschließender Brandstiftung gehandelt haben muß. Schuldige wurden aber nie gefunden. Das Schloß wurde nach Plänen Karl Friedrich Schinkels neugotisch wiederhergestellt.
Die letzten Kapitel
Der I. Weltkrieg
Nach vierzigjähriger Amtszeit verließ Oberbürgermeister Ottomar Oertel am 30. Juni 1912 sein Büro für immer. Nachfolger wurde der 2. Bürgermeister Hans Arno Charbonnier.
Am 1. August 1914 erfolgte in Deutschland die allgemeine Mobilmachung. Dabei wurden auch Liegnitzer von Begeisterung erfaßt. Das Heer konnte die vielen Kriegsfreiwilligen kaum aufnehmen. Prinz Oskar von Preußen traf in Liegnitz ein, um die Führung der Königsgrenadiere zu übernehmen. Wie überall im Reich zeichneten auch die Liegnitzer reichlich Kriegsanleihen.
Nach Schlesien konnten russische Truppen nicht vordringen. Der Krieg aber ging nicht wie erwartet schnell zu Ende. Das Regiment der Königsgrenadiere wurde während des ganzen Krieges ausschließlich an der Westfront eingesetzt. Es kämpften neben anderem in der Champagne und Verdun. Am 24. Oktober 1916 hatte es am Douaumont vor Verdun besonders hohe Verluste.
Der Hunger kam auch nach Liegnitz.
Nach dem Krieg
Dann war Revolution in Deutschland. Sie verlief glimpflich in Liegnitz, es kam zwar zu Bildung eines "Arbeiter- und Soldatenrats", ihm gehörten neben Arbeitern und Mannschaften aber auch Offiziere der Garnison und der Bürgermeister Charbonnier an. Als am 10. November 1918 die Bevölkerung ein Bekleidungslager stürmte, versuchten Soldaten die Ruhe wiederherzustellen und gaben Schreckschüsse ab. Ein zwölfjähriger Junge, der dem Aufruhr zuschaute, wurde dabei von einer verirrten Kugel tödlich getroffen. Er war das einzige Opfer der Revolution in Liegnitz.
Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Friedensdiktats mußte Deutschland seine Armee weitgehend auflösen, und das traf auch die Liegnitzer Garnison. Der Stab der 18. Infanteriebrigade und das Königsgrenadierregiment wurden aufgelöst, der Militärluftschiffhafen und die Halle wurden zerstört. Aus der Funkerkaserne wurden Wohnungen gemacht. Gerade noch zwei Kompanien eines Frankfurt/Oder gelegenen Reichswehrregiments wurden in Liegnitz stationiert.
Währrend es von 1919 bis 1923 sonst überall im Reich linke Aufstände gab, blieben Liegnitz und das Umland davon verschont. Lediglich Streiks wurden durchgeführt. Während des Kapp-Putsches unterstützte die in Schlesien gelegene Reichswehr den Putsch. Viele Arbeiter waren aber auch in Liegntz anderer Meinung, sie demonstrierten für die rechtmäßige Regierung, dabei kam es am 15. März 1920 auf dem Ring zu schweren Zusammenstößen mit dem Militär, was acht Menschen das Leben kostete.
Die erste Ortsgruppe der NSDAP wurde am 18. März 1925 gegründet. Bis 1929 brachte es die neue Partei auf nur 36 Mitglieder, 1932 aber hatte sie fünf starke Ortsgruppen. Sie gab dann die parteieigene "Niederschlesische Tageszeitung" heraus. Ende 1932 waren mehr als ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung in Liegnitz ohne Beschäftigung.
Die Machtübernahme
Vom November 1932 bis zur Reichtagswahl am 5. März 1933 wuchs der Stimmenanteil der NSDAP von 19 399 auf 25 594. Das waren 52% und somit die absolute Mehrheit. Im Reich war der Partei solcher Erfolg nicht gelungen. Bei den Stadtverordnetenwahlen am 12. März 1933 konnte die NSDAP von den 45 Sitzen 24 erringen; das war wiederum die absolute Mehrheit. Die Sitze der anderen zugelassenen Parteien waren: SPD 15, Deutsch-Nationale 3, Zentrum3.
Der "Wilhelmsplatz" wurde in "Adolf-Hitler-Platz" umbenannt, dafür wurde der "Breslauer Platz" mit dem Denkmal Wilhelms I. nun zum "Wilhelmsplatz". Am 12. Mai 1933 beschloß die Stadtverordnetenversammlungen mit ihrer nationalsozialistischen Mehrheit, Hitler das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.
Im Sommer 1934 war Charbonnier der letzte der alten Oberbürgermeister in Schlesien, der noch im Amt war. Nun mußte er, der nicht der NSDAP angehörte, sein Büro im Rathaus ebenfalls verlassen. Nachdem der ehemalige Untergauleiter von Mittelschlesien Huebenett - der Gau war aufgelöst worden - vorübergehend als kommissarischer Oberbürgermeister amtiert hatte, wurde am September 1935 der im benachbarten Goldberg geborene parteilose Stadtrat Dr. Werner Elsner dessen Nachfolger.
Wie anderswo in Deutschland auch, bekundeten die Liegnitzer bei den Volksabstimmungen über den Austritt des Reiches aus dem Völkerbund im September 1933 und über die Bestätigung Hitlers als Staatsoberhaupt im August 1934 den Nationalsozialisten mit über 90 Prozent ihr Vertrauen.
Im Jahre 1933 lag in Liegnitz, dem einstigen Standort der Königsgrenadiere, nur ein Ausbildungs-Bataillon. Im Jahre 1935 wurde die Stadt Sitz des Stabes der neuen 18. niederschlesischen Infanteriedivision. Liegnitz wurde in den folgenden Jahren zur stärksten Garnison Schlesiens nach Breslau. Neue Kasernen wurden gebaut.
Am 1. April 1937 wurde durch Eingemeindungen das Stadtgebiet um rund 7 Quadratkilometer vergrößert. Das war ein Zuwachs von einem Drittel der bisherigen Fläche.
In der "Kristallnacht" vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Synagoge in Brand gesteckt, wurden jüdische Geschäfte demoliert und geplündert, wurden jüdische Bürger von der Gestapo verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Die letzten Liegnitzer Juden, darunter die Insassen des jüdischen Altersheims, wurden nach dem Juni 1942 abtransportiert.
Der II. Weltkrieg
Von Kriegsbegeisterung konnte am 1. September 1939 gewiß auch bei der Liegnitzer Bevölkerung keine Rede sein, aber sie machte den Krieg mit, wie ihn die Menschen überall im Reich mitmachten. Gerade im Osten aber war noch die Erinnerung an die erzwungenen Gebietsabtretungen durch das Friedensdiktat von Versailles besonders im Gedächtnis geblieben. Sie sahen den Einmarsch in Polen daher zunächst als gerechten Krieg an. Den Siegesmeldungen folgten die geschönten Niederlagen. Die Zahl der Toten nahm zu. Unter den Bombardements durch englische und amerikanische Flugzeuge hatte die Bevölkerung in Schlesien nicht zu leiden. Viele Familien im Westen und in Berlin schickten ihre Kinder daher in die sichere östliche Provinz.
Werner Elsner sollte der letzte Oberbürgermeister der deutschen Stadt Liegnitz sein. Nachdem er 1942 als Reserveoffizier zur Wehrmacht eingezogen worden war, verwaltete der Alt-PG Dr. Hengst das Amt bis zum Ende 1945.
Am 30. April 1939 betrug die Einwohnerzahl der Stadt 77 532 ohne Militärpersonen. Gegen Kriegsende dürften es rund 90 000 gewesen sein. Viele west- und mitteldeutsche Betriebe waren nach Schlesien verlagert worden. Mit den Betrieben aber waren die Arbeiter und deren Familien gekommen.
Das Ende
Bei den Kämpfen im Sommer und im Herbst 1944 kamen die Russen bis nach Praga, der östlichen Vorstadt Warschaus. In dieser Stellung bereiteten sie den nächsten Großangriff vor. Er begann in der Nacht vom 11. zum 12. Januar mit stundenlangem Trommelfeuer auf die dünnen deutschen Stellungen. Als danach die Masse der russischen Panzer losfuhr, stand ihnen keine wirkliche deutsche Verteidigung mehr gegenüber.
Am 20. Januar 1945 überschritten die Russen die oberschlesische Grenze; sie besetzten die Kreisstadt Rosenberg. Am 22./23. Januar drangen sie in Gleiwitz und Beuthen ein. Am 23. Januar wurde die Hauptstadt Oberschlesiens Oppeln eingenommen. Die Besetzung des oberschlesischen Industriegebietes erfolgte so schnell, daß die Bergwerks- und Industrieanlagen dem Gegner fast unbeschädigt in die Hände fielen. Die sowjetischen Panzer stießen nördlich an Breslau vorbei bis zur Oder vor. Am 24. Januar erreichten sie das Ostufer bei Steinau, und am 25. Januar wurde der berühmte russische Brückenkopf Steinau am westlichen Oderufer gebildet.
Von hier und von weiteren inzwischen eingenommenen Orten am Westufer der Oder aus gingen die Russen am 8. Februar erneut zum Angriff vor. Sie erreichten die kleine Stadt Parchwitz im Landkreis gegen 10 Uhr. Die letzten Volkssturmleute zogen über den Schäferberg in Richtung Liegnitz. Die sowjetischen Soldaten hielten sich in Parchwitz nicht lange auf, sie stießen gleich weiter in Richtung Liegnitz vor. Noch am Abend des Angriffstages erreichten sie den Stadtrand von Liegnitz. Am 8. und 9. Februar wurde in der Stadt gekämpft, am Mittag des 9. Februar war sie in sowjetischen Besitz.
Fünfundzwanzigtausend Menschen hatten nicht mehr evakuiert werden können. Es begann die Leidenszeit für die zurückgebliebenen Einwohner der deutschen Stadt Liegnitz. Viele von ihnen sollten sie nicht überleben.